TAU – chants (CD, LP Vinyl)
Kein Wunder, dass es über vier Jahre gebraucht hat, um ihr zweites Album fertig zu stellen. Wieder ist es ein Doppel-Album geworden, und wieder sind die Kompositionen über die Recording-Sessions schließlich erst im Editierprozess zu dem geworden, was nun auf Vinyl und CD gepresst wurde. Eine Musik der ständigen Transformation, die immer noch nicht fertig wäre, wenn es für so etwas keine Deadlines gäbe. Es wäre vermutlich die optimale Strategie für dieses Quintett, wenn sie saisonal immer wieder neue Versionen ihrer Stücke ins Internet hochladen könnten. Denn die Diskrepanz zwischen dem in der Gegenwart Praktizierten und einer theoretisch möglichen Welt ist bekanntlich immens. Und variiert ständig. Das gilt auch in der Musik, vor allem im Jazz, in dem die einst so fortschrittlichen Strömungen längst zu bürgerlichen Wohlfühloasen geworden sind. Kein Wunder, dass „Chants“ nicht nur futuristisch, sondern über weite Strecken auch ziemlich düster bis dystopisch klingt: Der perfekte Score, um einen Film zu vertonen, in dem dunkle Kräfte einem die letzte Energie rauben. Starke Gravitationsfelder, die einen notfalls mit militanter Gewalt zurück in die Schranken weisen. Dennoch will die Musik schweben, will atmen, will komplexe Verbindungen aufzeigen, neue Karten zeichnen und Möglichkeitsräume öffnen. Sie ist dabei gleichermaßen Neue Musik wie Ambient. Jazz-Fusion wie SF-Score. Hier sind Aphex Twin oder Laurie Spiegel am Ende genauso Lehrmeister_innen wie Stockhausen, Cecil Taylor oder John Coltrane. ZEN-BIENT, könnte ein aus der Luft gegriffener Begriff sein. Aber da fühlt sich die Jazz-Community schnell ausgegrenzt. Dabei ist Jazz schon lange ein Begriff, der mehr Leute ausschließt als einschließt. Trotzdem bleiben TAU rein formal betrachtet ein anschlussfähiges Jazzquintett. Aber eines, das sich eben auch für die künstlerische Nachbarschaft seiner Gegenwart interessiert. Das zeigt sich sowohl auf dem Plattencover von Markus S Fiedler als auch in der ersten Videoarbeit von Grischa Lichtenberger zum Song "Dune". Das Mastering des Albums wurde mit Sicherheit auch nicht zufällig bei Rashad Becker (ehemals Dubplates & Mastering) in Berlin in Auftrag gegeben. So formuliert das Album den innigen Wunsch einer Band, den Weg ihrer ständigen, künstlerischen Entwicklung unbeirrt weiterzugehen und uns auf ihren Reisen ein Stück weit mitzunehmen. Selbstverständlich ist das alles nicht gegen den Jazz gerichtet, sondern von ganzem Herzen dafür! *Fun in the Church