BELGRAD – lysis (LP Vinyl)
Das monumentales 2te Album von Belgrad ist oft niederschmetternd, hält aber gleichzeitig mit seinen 12 Songs über 75 Minuten die Spannung hoch und stellt eine Art deutschprachiges Post-Punk-Manifest dar, das der Playlist-dominierten Ära schon alleine mit seinem Umfang den Mittelfinger zeigt. Was der Musikexpress damals über das Debütalbum schrieb ("Die ernsthafteste deutsche Platte das Jahres") gilt auch hier. Die aus Hendrik Rosenkranz, Lev Leopoldowitsch und Stephan Mahler bestehende Band aus Hamburg und Berlin hat sich Zeit genommen und erwartet dies auch von den Hörer_innen. Die Texte sind manchmal literarisch (der bedrückende Roadtrip von "Rachel & Joseph" oder "WSF"), oft philosophisch, manchmal politisch ("Markt fressen Seele auf"), manchmal auch alles zusammen. Oft spielt eine Metaebene mit, was die Faszination des Albums und der Songs noch unterstützt. Das Album lebt auch von der exzellenten musikalischen Umsetzung und Einbettung, zu der Einsamkeitsorgeln und Postrockästhetik genauso gehören wie Postpunk, düstere Synthflächen in Trentemöller-Manier und Klavier, Industrialklänge oder gezupfte Gitarre. Ein Album wie ein gutes Buch, das diesen dunklen Zeiten sehr gut steht. Die Klammer des Albums sind der Prolog (gesprochen von Jürgen Vogel) und der Epilog, die "Lysis" so sanft wie inhaltlich niederschmetternd einrahmen, dass man am Ende ersteinmal tief Luft holen muss. *Zeitstrafe