ORSON HENTSCHEL – facades (10" Vinyl, CD)
Bereits sechs Monate nach seinem zweiten Album "Electric Stutter", das durch ,spannungsgeladene Wiederholungen von kurzen Sequenzen, die von einzelnen, stuck-in-the-machine sounds startend, in großen, dramatischen Stücken enden (Decoder) und einem analogen "Cyber Trip-Hop von beeindruckender Tiefenschärfe als akustische Möblierung für eine Apokalypse-Lounge" (Groove) gekennzeichnet ist, kehrt Hentschel mit einer 2-Track-EP zurück und präsentiert einen weiteren Aspekt seines musikalischen Spektrums. Während auf den ersten beiden Alben nur instrumentale Tracks zu finden sind, sind die beiden Tracks auf "Facades" die ersten, bei denen Orson Hentschel mit dem Element Text hantiert und dieses als Hauptbestandteil seiner Komposition verwendet, wobei er sich der Stimme von einer sehr speziellen Perspektive her nähert. Das gesprochene Wort ist für Hentschel immer auch Musik und damit auf der gleichen Stufe wie der instrumentale Input oder das Arbeiten mit Klangschichten. Daher interessiert ihn auf "Facades" der Klang des gesprochenen Wortes, und nicht sein übermittelter Inhalt. Die Idee für "Facades" entstand zu einer Zeit, als Hentschel mit einer mehrtägigen Schreibblockade zu kämpfen hatte. Er realisierte, dass das Schreiben über nichts der einzig ehrliche Weg war, um sein Selbst über das Medium des Textes auszudrücken. Nach einiger Recherche zu diesem Thema stieß Hentschel auf John Cages "Vortrag über nichts", erschienen in dessen Buch "Silence" (1961). Dies motivierte ihn, seine Ideen auszuarbeiten, woraufhin er einen deutschsprachigen Text entwarf und diesen von Danhee Joe, einer zufällig entstandene Bekanntschaft, ins Koreanische übersetzen und mit ihrer warmen Stimme sprechen ließ. Dieses Textmaterial verarbeitete Hentschel in der gleichen Art und Weise, wie er jegliches Soundmaterial verarbeiten würde: die Transformation und Verfremdung des Ausgangsmaterials bis etwas Neues entsteht. Die gesprochenen Wörter sind eingebettet in repetitive und minimalistisch-elektronische Klangschichten, die sogar ursprüngliche technoide Territorien durchdringen. Getreu seinem Stil, lange Spannungsbögen zu erzeugen, muss der Hörer bis zu den letzten beiden Minuten von "Facades II" warten, bis der erlösende Beat einsetzt. *Denovali