TOCOTRONIC – die unendlichkeit (CD, LP Vinyl)
Vinyl (LPx2) wird derzeit nachgefertigt – lieferbar sobald wieder verfügbar! Der Opener des 12ten Albums überrascht, das Titelstück ist ein grandioses Stück Lebens-Musik zwischen Floating into Space und schwarzen Löchern, ein Song, der seinem Titel alle Ehre macht. Das zwölfte Album handelt von dem, was war, dem, was ist, und dem, was sein wird, reicht von der Kindheit über die Adoleszenz und frühe Erwachsenenzeit bis in die Gegenwart. Das Album trägt autobiografische Züge, was die Tocos bislang abgelehnt haben (aber ohne individualistische Note). Es erzählt von existenziellen Erfahrungen: von Angst, Verliebtsein, Einsamkeit und Tod. Auch die Sprache ist anders, sie duldet keine Verklausulierungen. Das Album ist daher auch ein Neubeginn. "Tapfer und Grausam" handelt von der frühen Kindheit, dem Gefühl des Ausgeschlossenseins und der Herzlosigkeit anderer Kinder. "Hey Du" erzählt vom Anderssein in der Fußgängerzone der Provinz, vom Beschimpftwerden, aber auch vom unverhohlenen Stolz, modisch aufzufallen. "1993" führt zurück ins Gründungsjahr der Band, dem Auszug aus der Schwarzwaldhölle Heimat in Richtung Hamburg. Musikalisch bieten die Tocos enorm Abwechslung und sie verweisen dabei auch stilistisch mehr denn je auf ihre eigene Vergangenheit, wenn Jan Müllers Bass und Arne Zanks Schlagzeug bollern wie in den Anfangstagen der Band bei "Ich lebe in einem wilden Wirbel". Weil jede Lebensphase ihre spezifische Musik hat, verbeugt sich auch jeder Song in Richtung einer Band oder eines Stils, die oder der in dieser Phase wichtig und einflussreich war. Die musikalische Zeitreise beginnt bei den Beatles-Songs der Kindheit, gleitet über das Orff'sche Schulwerk bis hin zu 80's-Gitarrenpop, Dub und Progressive Rock. Und natürlich erlaubt das Autobiographische, dass die Tocos plötzlich mal an Hüsker Dü oder Roxy Music erinnern. Das Album ist auch ein historisches Deutschland-Porträt. Da sind die Koordinaten einer Provinz-Pubertät, das von Apfelkorn befeuerte Rumlungern an der Bushaltestelle und die RAF-Fahndungsplakate in der Coming-of-Age-Hymne "Electric Guitar". Das Bordtelefon im ICE, das in "Unwiederbringlich" auftaucht, einem Stück über das Sterben eines engen Freundes, erinnert an eine Zeit, von der aus gesehen die Technik, mit der wir kommunizieren, als Science-Fiction erscheint. "Mein Morgen" wiederum hat diese Endzeit-Grundierung der 80er-Jahre, die unter dem Eindruck des Kalten Kriegs, Tschernobyls und des Waldsterbens herrschte und die derzeit wieder so gegenwärtig wirkt. Nächste Ausfahrt Apokalypse. "Ich würd's dir sagen" schließlich ist eine Art dunkles Kinderlied über Begehren, erotische Phantasmen und Todessehnsucht. Zum Ende liefert das Album wie zum Trotz noch einmal einen klassischen Tocotronic- Slogan: "Alles was ich immer wollte war alles". Und darum geht es hier: um nicht weniger als alles. *Vertigo