TOCOTRONIC – schall und wahn (CD)

TOCOTRONIC – schall und wahn (CD)

Die 2010er-Platte könnte kein Debut sein, keine junge Band würde es wahrscheinlich wagen sich so zu präsentieren. Das Quartett ist angekommen in einer weiteren Phase ihres Zusammenseins. Waren sie bis ca. 1998 in ihrer jugendlichen Protestsong Zeit zwischen Grunge und Punk, lo-fi , direkt und die intelligente deutsche Slacker Blaupause, so verließen sie kurz vorm Jahrtausendwechsel das Indie-Rock Korsett und wagten sich an größere Popmusik Entwürfe. Auch textlich wechselten sie ins indirekte, subtile, mystische, ausgefeilte um mit der "Kapitulation" anno 2007 wieder direkter, schnörkelloser und rockiger zurück zu kommen. Zu keinem Zeitpunkt scheint etwas nur aus dem Bauch heraus gemacht worden zu sein, alles war folgerichtig und konsequent, auch die Übernahme des alten Materials in eigene Kontrolle und die Wiederveröffentlichungen des Back-Katalogs. Der neueste Streich nun zeigt eine selbstbewusste, kreative Band mit Geschichtsbewusstsein. Wieder produziert von Moses Schneider entwickeln sie Arrangements, so ausgefeilt wie seit dem "weißen Album" nicht mehr. Achtminütige Epen, Streicher fern von handelsüblichen Rock-mit-Streichern-Klischees (arrangiert vom Neue-Musik-Komponisten Thomas Meadowcroft), Bläser-Schönheit (von Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels von JaKönigJa), Zitate von Phil Spector bis Shoegazing. Räume werden geöffnet, Rock neben Pathos, Lärm neben Zartheit, Vielfältigkeit wird zugelassen, Kontrollverlust erlaubt. Dazu kommen weniger parolenartige, mehr narrative Texte. Ein Album wie ihre Diskographie, mannigfaltig und zum richtigen Zeitpunkt das richtige getan. Klasse.*Vertigo

CD 9.90€*
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